ERDBEERERNTE BEGINNT – DOCH BRANDENBURGS BAUERN STECKEN IN DER KRISE

Am Anfang ganz schnell mal etwas Wunderbares aus der Theorie: Die Erdbeere ist botanisch gesehen gar keine Beere, sondern eine Sammelnuss. Das rote Fruchtfleisch ist quasi nur das Trägermaterial für die vielen kleinen gelben Nüsschen. Nun zur Praxis: Der Frühling ist voll da und bei der klassischen Reihenfolge der heimischen Feldfrüchte kommen nach dem Spargel nun die Erdbeeren.

Der Spargel war dieses Jahr sehr früh dran, weil es vor Ostern schon sehr warm war und weil fast alle Spargeldämme unter Folien sind. Mit dem Gewächshauseffekt kann die Ernte viel besser gesteuert werden. „Auch bei den Erdbeeren sind wir dieses Jahr recht früh dran“, sagt Thomas Bröcker vom Gartenbauverband Berlin-Brandenburg der Berliner Zeitung. „Das liegt ebenfalls daran, dass inzwischen ein großer Teil der Erdbeeren unter Folie angebaut wird.“

Der offizielle Saisonstart ist in diesem Jahr am 13. Mai. Das klingt gut für alle Fans heimischer Erdbeeren, also für all jene, die sich nicht schon im Februar beim Discounter die teure Importware aus Spanien holen, die nicht nur ganz ökologisch mit Diesel-Lastern nach Deutschland gebracht wird, sondern oft auch mit einem enormen Wasser- und Pestizid-Verbrauch produziert wird.

Die heimischen Bauern arbeiten inzwischen meist mit der sparsamen Tropfschlauchbewässerung, bei der Schläuche an den Wurzeln liegen, sodass dort ganz gezielt bewässert werden kann. „Obwohl unsere Erdbeeren beliebt sind und von bester Qualität, verringern sich in Brandenburg die Anbauflächen und die Anzahl der Erdbeerproduzenten seit Jahren“, sagt Bröcker. Die „rote Branche“ steckt in der Krise. Und das, obwohl der allgemeine Trend gerade in Berlin eigentlich immer mehr zu heimischen Lebensmitteln geht. Bei den Erdbeeren sieht es anders aus.

In Brandenburg ist die Produktion bereits seit Jahren rückläufig. In diesem Jahr werden nur auf etwa 150 Hektar Erdbeeren auf Feldern und unter Folientunneln angebaut. Dazu kommen 30 Hektar in Gewächshäusern. Im Freiland ging der Anbau nach Angaben des Verbandes um 70 Hektar oder ein Drittel zurück.

Die Erntemenge lag im Vorjahr mit 570 Tonnen sogar 40 Prozent niedriger. Die schlechte Ernte lag vor allem an den hohen Temperaturen und am mangelnden Niederschlag. Der Klimawandel macht den Anbau immer unberechenbarer. Hingegen stieg der Ertrag unter Folie oder im Gewächshaus, da die Ernte viel besser gesteuert werden kann.

„Die Entwicklung geht ganz klar in diese Richtung“, sagte Bröcker, auch international würden etwa in Spanien oder Großbritannien fast alle Erdbeeren unter Folie hergestellt. „Der Trend geht ganz klar weg von heimischen zu internationalen Erdbeeren“, sagt Bröcker. Er hofft, dass sich die heimische Produktion auf niedrigem Niveau stabilisieren werde.

Das Hauptproblem sind die Kosten: Die Produktion in Folienzelten ist doppelt so teuer wie auf dem Acker, aber auch die Erntemenge ist mehr als doppelt so hoch. Doch die Konkurrenz in Südeuropa ist trotz der teuren, langen und unökologischen Transportwege im Vorteil. „Denn bei den Erdbeeren sind die Hälfte der Kosten die Lohnkosten“, sagte er.

Nach Angaben der Branche liegt der Mindestlohn pro Stunde – bezogen auf eine 40-Stunden-Woche – in Spanien bei 6,52 Euro, in Deutschland sind es seit Jahresbeginn 12,41 Euro und ab nächstem Jahr 12,82 Euro.

Erdbeeren sind unter den Top Fünf der beliebtesten Obstsorten in Deutschland auf Platz vier – hinter Apfel, Banane und Weintrauben. Doch die Ernte der Erdbeeren, die eigentlich Nüsse sind, ist sehr schwierig. Denn die kleinen Beeren, die tief unten direkt am Boden wachsen, sind nun mal mühsam zu pflücken. Und die Landwirte finden immer weniger Saisonarbeiter, die diese Knochenarbeit erledigen wollen. Und so werden die beliebten Früchte immer häufiger in Gewächshäusern angebaut, die sind meist fast zehn Meter breit und so hoch, dass kleine Traktoren durchfahren können. Die Beeren werden dann oft auf Tischen in Bauchhöhe angebaut, sodass sie viel bequemer im Stehen geerntet werden können. Mitunter sind es auch zwei Etagen übereinander.

Von all den Problemen mit der Billigkonkurrenz bekommt die Kundschaft nicht viel mit. Aber die Bauern haben zu ihrem Saisonstart extra den Brandenburger Agrarminister Axel Vogel (Grüne) eingeladen, um auf ihre Probleme aufmerksam zu machen.

Der Saisonstart ist im Spreewaldhof Niewitz. Dort begann Heinz-Georg Embach, ein gelernter Landwirtschaftsmeister aus Südhessen, 1997 mit dem Anbau von Erdbeeren und Gurken. Die Früchte baut er zu 95 Prozent im „geschützten Anbau“ an, also unter Folientunneln. Die Methode gilt als nachhaltig und umweltschonend, vor Ort wird das Regenwasser im Wassersilo gespeichert und statt chemischer Schädlingsbekämpfung werden gegen Schädlinge bestimmte Hummelvölker und Nützlinge eingesetzt.

In Berlin läuft nun auch bald der Verkauf von Erdbeeren an. Die roten Verkaufshäuschen von Karls Erdbeerhof – dem wohl bekanntesten Erdbeervermarkter Deutschlands – stehen oft schon seit Wochen in der Stadt. Der Erlebnishof in Elstal, westlich von Berlin, feiert ab 1. Mai fünf Tage lang sein zehnjähriges Bestehen. Nach Angaben der Firma werden die Erdbeerhäuschen überall in Berlin nun auch nach und nach mit frischen Erdbeeren beliefert. Aber die kommen eben nicht aus dem Land Brandenburg, sondern von den Feldern rund um den Stammsitz der Firma bei Rostock.

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