FRANK-WALTER STEINMEIER UND RECEP TAYYIP ERDOGAN ESSEN DöNER: »ICH FINDE ES TOLL, WENN ER DEN DEUTSCHEN DöNER MIT IN DIE TüRKEI NIMMT«

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat zum Staatsempfang in der Türkei Döner aus Berlin mitgebracht. Gastronom Cihan Anadologlu sagt, was er davon hält und warum man beim Essen kleckern darf.

SPIEGEL: Frank-Walter Steinmeier ist heute mit einem deutschen Dönerimbissbetreiber, Arif Keles, zum Staatsbesuch in die Türkei gereist. Was halten Sie von dieser Döner-Diplomatie?

Anadologlu: Ich finde es toll, wenn er den deutschen Döner mit in die Türkei nimmt. Die Türken essen ja sehr gern den Alman-Döner, in der Türkei findet man den inzwischen häufiger. Es ist natürlich eine große Ehre für den Betreiber des Dönerladens, mit dabei zu sein. Meine Eltern sind auch als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen. Das macht jeden hier sehr stolz, wenn man es bis zur Selbstständigkeit schafft – und dann noch ein Produkt in der Türkei servieren darf, das für Deutschland und die Türkei steht. Der Döner, zumindest wie er in Deutschland gegessen wird, ist ja eine deutsch-türkische, keine türkische Erfindung.

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SPIEGEL: Ja, räumen wir gern gleich mit dem großen Mythos auf: Wer hat den Döner nun erfunden?

Anadologlu: Für mein Buch habe ich wirklich lang Recherche betrieben, auch mit Food-Historikern gesprochen. Das Ergebnis: So wie er in der Türkei serviert wird, kommt er aus der türkischen Stadt Bursa. Unser deutscher Döner Kebab kommt aus Berlin. Aber die türkische Variante gab es zuerst.

SPIEGEL: Und der türkische Döner ist nun so schlecht, dass der Bundespräsident einen deutschen mitbringen muss?

Anadologlu: Der türkische Döner ist nicht schlecht. Seine Kunst liegt in der Einfachheit: Das Lammfleisch wird ohne Soße serviert, meist mit einem Lavas-Brot, einem dünnen Fladenbrot. Dazu gibt es vielleicht noch einen kleinen Beilagensalat oder ein paar Zwiebeln und Tomaten. Das war’s. Es geht vor allem um den Geschmack vom Fleisch im Mund. Alternativ gibt es seit vielen Jahren den Tombik-Döner, also Döner im Brot. Der wird aber anders als der deutsche Döner zubereitet, der viel Salat, Zwiebeln, Tomaten und Soße enthält. Für den Tombik-Döner wird das Brot frisch aufgebacken, dazu gibt es ein bisschen Fleisch, ein paar Zwiebelchen, eine Tomate. In ärmeren Gebieten in der Türkei wird auf den Boden noch etwas Kartoffelpüree geschmiert, damit die Menschen satt werden.

SPIEGEL: Was kennzeichnet denn den Alman-Döner?

Anadologlu: Man sagt immer, der Döner steht und fällt mit dem Fleisch und dem Brot. Das ist absolut richtig. Im Vergleich zum türkischen Tombik-Döner wird das Brot vorher getoastet, hat also einen gewissen Crunch und Griff, um die Soße auszuhalten. Das Fleisch sollte unbedingt Scheibenfleisch sein, kein Hackfleisch. Das ist in Deutschland leider gang und gäbe. Und hier werden viel mehr Geschmacksverstärker, Zusatzstoffe und Bindemittel ins Fleisch gepackt.

SPIEGEL: Herr Keles serviert beim Staatsempfang in der Türkei Döner aus 60 Prozent Hackfleisch und 40 Prozent Scheibenfleisch. Sie halten also nicht viel von dieser Mischung?

Anadologlu: In Deutschland ist es halt üblich, den Döner so zu servieren. Solange die Fleischqualität stimmt, ist das auch völlig in Ordnung. Ich persönlich bevorzuge aber eher 100 Prozent Scheibenfleisch, vom Kalb. In der Türkei wird der Döner in der Regel mit Lamm serviert, wie die meisten Gerichte. Beim Alman-Döner geht es mehr um das Gesamtpaket, das ist eher ein großes Sandwich mit viel Fleisch, Zwiebeln, Tomate und Soße. Für mich darf es aber auch keine billige Mischung aus Ketchup und Mayo sein, lieber Knoblauchsoße.

SPIEGEL: Was sind absolute No-Gos?

Anadologlu: In den Döner kann eigentlich alles rein. In den Rezepten in meinem Buch »Einmal mit alles« zeige ich auch, was man neben Eisbergsalat, Zwiebeln und Tomate in den Döner machen kann. Es gibt natürlich immer die alteingesessenen Leute, die sagen, dass keine Ananas auf die Pizza und kein Rotkraut in den Döner darf. Warum nicht? Wenn die Qualität der Zutaten und die Kombination passt, gibt es meiner Meinung nach keine No-Gos. Wenn jemand zum Beispiel Pommes rein machen will, warum nicht? In der Türkei ist das mittlerweile sehr gängig.

SPIEGEL: Es gab noch nie eine Bestellung, bei der Sie die Augen gerollt haben?

Anadologlu: Nein. Auf eine Pizza darf doch auch viel rauf, und niemand beschwert sich. Das ist wie mit dem Preis, das verstehe ich auch nicht. Bei einer Pizza sind alle bereit, 15 Euro zu zahlen. Aber beim Döner schreit jeder: Bitte Herr Scholz, der Döner darf nicht teurer als fünf Euro sein. Heutzutage ist das absolut nicht mehr machbar. Die Lebensmittelpreise sind einfach gestiegen, die Qualität aber auch, und das Personal wird besser bezahlt. In meinen Imbissen kostet der Kalbsfleischdöner 9,90 Euro. Aber natürlich darf man auch nicht übertreiben. Mehr als 13 Euro dafür wäre Wucher.

SPIEGEL: Anderes Thema: Kann man eigentlich einen Döner essen, ohne zu kleckern?

Anadologlu: Zusammen mit Knigge-Experte Graf Clemens von Hoyos habe ich dazu vor einiger Zeit ein TikTok-Video gedreht. Ich sag immer so: Man beißt links und rechts an den Seiten ab, und arbeitet sich so langsam bis zur Mitte vor. Kleckern ist erlaubt.

SPIEGEL: Herr Steinmeier braucht seine Krawatte also nicht zu schützen?

Anadologlu: Für heute Abend sollte er vielleicht besser eine Serviette nehmen.

SPIEGEL: Kann er wenigstens mit den Händen essen?

Anadologlu: Ich finde, er kann definitiv ein, zweimal abbeißen. Bei ein paar Dingen sollte man die Tradition einfach beibehalten. Pizza und Burger isst man doch auch nicht mit Besteck.

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