NEUER HOPFEN FüRS BIER

Brauen

Neuer Hopfen fürs Bier

Viele Rohstoffe braucht es zum Brauen nicht. Aber die Versorgung mit ihnen ist heikel. Ein Besuch bei Bayerns ältester Weizenbierbrauerei.

Wer als Erstgeborener Teil der Kelheimer Brauerfamilie Schneider wird, kennt seinen Vornamen praktisch schon im Mutterleib. „Wir heißen alle Georg“, sagt Georg Schneider VI. Der 58-Jährige unterscheidet sich von seinem 28-jährigen Sohn Georg VII nur per Namenszusatz, wie er sonst Königshäusern eigen ist. „Mein Sohn ist die siebte Generation und kümmert sich heute um die Digitalisierung des Betriebs“, erklärt Schneider senior. Der Stolz der dabei in seiner Stimme mitschwingt, hat auch damit zu tun, dass seine Vorfahren 1872 das Braurecht erworben haben, was den Familienbetrieb Schneider Weisse zu Bayerns ältester Weizenbierbrauerei macht. Das ist in Zeiten wie diesen aber nicht nur eine Freude.

Denn zum einen geht es mit dem Bierdurst im Allgemeinen und dem nach Weizenbier, das in Bayern Weißbier genannt wird, im Speziellen seit geraumer Zeit abwärts. Um 4,5 Prozent auf knapp 84 Millionen Hektoliter ist der Bierabsatz bundesweit 2023 gesunken. Bayern sei mit 2,5 Prozent Rückgang noch glimpflich davongekommen, sagt Georg VI, der im Nebenberuf auch Chef des bayerischen Brauerbunds ist. Aber dazu kommt aus Sicht einer fast reinen Weizenbierbrauerei, dass die Marktanteile dieser Sorte seit Jahren zusätzlich fallen.

„Seit 2020 geht die Schere auseinander“, bedauert Schneider. Weizen sei damals von Hellem in der Gunst der Biertrinker überholt worden. Der Weizenbieranteil sei bundesweit zwar nur leicht von sieben auf sechs Prozent gefallen. Der von Hellem habe sich aber auf elf Prozent gut verdoppelt. An der Pandemie habe das wohl gelegen. „Weißbier ist mit Gastronomie und Glaskultur verbunden“, beschreibt Georg VI diese Art des Biertrinkens. „Helles to go“, dagegen das man unterwegs im Gehen konsumiert, habe sich in der Pandemienot durchgesetzt, was bis heute noch nachhallt.

Wirklich besorgt macht das aber weder den Brauereichef noch noch seinen Braumeister Josef Lechner. „Es ist heute eine ähnliche Situation wie vor 150 Jahren“, sagt Letzterer. Damals hätten die Schneiders das Braurecht für Weizenbier nur erhalten, weil es niemand haben wollte. Das habe sich aber dann schnell ins Gegenteil verkehrt. Weizenbiergeschmack komme und gehe in Zyklen. „Das ist wie bei der Mode“, findet Lechner und baut auch diesmal auf ein Weizenbier-Revival.

Was ihn schon mehr ins Grübeln bringt, ist der Klimawandel. „Ich habe drei Jahre Hopfen-Ernte auf Lager“, verrät der Braumeister. Das sei der Puffer für schlechte Ernten, die es zuletzt klimabedingt zweimal in Folge gegeben hat. Denn Trockenheit mag Hopfen nicht. „Auch Braugerste ist hochsensibel“, erklärt Schneider. Die zum Bierbrauen nötige Qualität unter klimatisch immer anspruchsvolleren Bedingungen zu erzeugen, werde zunehmend schwierig. Zumindest beim Hopfen ist nun ein Ausweg in Sicht. Schneider verwendet als eine der ersten Brauereien überhaupt seit kurzem auch eine klimaresistente Sorte.

„Ich habe es leid, beim Hopfen zu zittern, weil die Ernte schlecht wird“, sagt Lechner. Die neue Hopfensorte Callista habe gleich mehrere Vorteile. Sie trotze nicht nur Trockenheit, sondern auch Krankheiten. „Außerdem hält Callista Schädlinge ab“, weiß der Braumeister. Über zehn Jahre lang hätten Hopfenpflanzer in der bayerischen Hallertau gezüchtet, bis sie diese Kombination hinbekommen haben. Zudem sei Callista sehr aromatisch. Der Hopfen verleiht sonst geschmacklich von Hefe dominiertem Weizenbier eine fruchtige, an Maracuja erinnernde Note, wie Selbsttests bestätigen.

Weil Maracuja auch Passionsfrucht genannt wird und Passion Leidenschaft bedeutet, hat Schneider das aus Callista gebraute Weizen Lovebeer genannt, erklären Schneider und Lechner die Namensgebung. „Es kommt bei Jüngeren gut an“, freut sich Schneider. Gemessen am Gesamtausstoß seiner Brauerei von zuletzt 200 000 Hektoliter jährlich, wird aus Callista hergestelltes Bier aber noch in homöopathischen Dosen gebraut. Neuen Hopfen könne man anfangs nur in kleinen Chargen verwenden, erklärt Schneider. Es müsse sichergestellt werden, dass der Geschmack von Sud zu Sud stabil bleibt.

An der Nachfrage dürfte das Callista-Weizenbier nicht scheitern. „Wir haben Anfragen für ein alkoholfreies Lovebeer“, sagt Schneider. Daran arbeitet der Braumeister schon, ist aber mit dem Geschmack noch nicht zufrieden. Das zeigt, dass neuer, stressresistenter Hopfen nicht über Nacht die Brauindustrie erobern wird.

Dabei ist der Rohstoff, den man in Kelheim am kritischsten sieht ein ganz anderer. „Das ist Wasser“, sagt Schneider spontan. Um Wasserentnahmerechte sieht er in Zeiten des Klimawandels ernste Verteilungskämpfe zwischen Getränkeindustrie und Wasserversorgern heraufdämmern. „Grundwasser ist für die Allgemeinheit und nicht für Firmen, klingt demokratisch“, sagt Schneider. Wenn das Wasser für jedermann dann aber hauptsächlich durch die Toilette gespült wird, aus der Dusche strahlt oder in Waschmaschinen fließt, die Getränkeindustrie daraus aber Lebensmittel herstellt, sieht die Sache anders aus, findet er.

2024-05-01T08:46:27Z dg43tfdfdgfd